Sie sind zwischen 17 und 18 Jahre alt, tragen Retro-Sportjacken, weite Jeans und dunkelblaue Adidas-Turnschuhe. Sie heissen Sabina, Luna und Noah. Drei Teenager am Ende ihrer Gymnasialzeit, die sich mit ihrer Maturaarbeit auseinandersetzen. Darin geht es um Sabinas zerrüttete Beziehung zu Yasmina, ihrer ehemaligen besten Freundin aus der Sekundarschulzeit. Es drängen sich Fragen auf, die wohl jede Person kennt: Was bedeutet es, ein*e Freund*in zu sein, und wer steht mir zur Seite, wenn sich die Welt um mich herum ständig verändert, als wäre sie ein reissender Fluss?
Von dieser Freund*innenschaft handelt das Stück «Gossips» von Eva Rottmann, das am 15. November 2024 im Theater Winkelwiese Premiere feierte. Sieben Wochen lang haben die jungen Akteur*innen täglich geprobt, um anderen jungen Menschen das menschliche Miteinander und das Auf und Ab in Freund*innenschaften zu zeigen. Sie gehören zum LAB Junges Theater Zürich, einem der wenigen Orte in der Stadt für junges Theater. Deborah Imhof, Co-Leiterin des LAB, sagt: «In Zürich fehlt eine Bühne für junge Menschen.» Dabei ist fast jede fünfte Person in Zürich unter 20 Jahre alt.
Zürich hinkt beim Kinder- und Jugendtheater nach
Gegründet wurde das Theaterlabor LAB vor zehn Jahren. Seitdem können sich junge Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren unter professioneller Anleitung im Theaterspielen ausprobieren. Einen festen Proberaum hat das LAB aber nicht; alle paar Jahre zieht es aufgrund der Zwischennutzungen weiter. Aktuell befindet sich der Proberaum im Zürcher Kreis 4, direkt neben der Seebahn-Kolonie. Er ist gross und hell, blauer Tanzboden liegt auf einer Hälfte der Fläche. An den Wänden hängen selbst gezeichnete Porträts, die während der letzten Schnupperproben für ein Jahresprojekt entstanden sind. Für dieses Projekt, das im Juni 2025 aufgeführt werden soll, probt das LAB derzeit einmal pro Woche in der Gessnerallee.
Deborah Imhof sitzt an einem Tisch in der anderen Hälfte des Raumes. Imhof leitet das LAB zusammen mit Elina Wunderle und Matthias Nüesch. Sie erzählt, wie sie vor sieben Jahren zur freien Theatergruppe kam, nachdem sie in verschiedenen Schweizer Theatergruppen gearbeitet hatte. Und wie sie vor zehn Jahren zusammen mit Katarina Tereh «Die Voyeure», heute unter dem Namen «Supervistas» bekannt, nach Zürich holte – ein Projekt, das vor allem jungen Menschen bis 25 Jahren den Zugang zum Tanz und Theater erleichtern soll.
Es ist offensichtlich: Imhof kennt die Schweizer Theaterszene in- und auswendig. Und diese ist vielfältig. Das spiegelt sich in den drei Hauptsäulen der Schweizer Theaterszene wider: den Stadttheatern, der Freien Szene und den zahlreichen Amateur*innengruppen.
Die Stadt Zürich bietet mit rund 18 Bühnen mehr Theatermöglichkeiten als jede andere Stadt in der Schweiz. Doch das Angebot für junge Menschen ist begrenzt. Kinder können im Theater Purpur, im Kinder- und Jugendtheater Metzenthin oder in einigen anderen Nischenprogrammen auftreten. Für Jugendliche gibt es deutlich weniger: Das Schauspielhaus Zürich mit der Offenen Bühne und speziellen Jugendproduktionen und das LAB Junges Theater Zürich, das in der Gessnerallee und dem Theater Winkelwiese auftritt, sind die bekanntesten Orte dafür.
Doch viele dieser Spielstätten für Kinder und Jugendliche kämpfen mit Herausforderungen: Sie verfügen nur über kleine, begrenzte Räume, oder die Programme für junge Menschen erscheinen eher als Ergänzung zum Hauptprogramm der jeweiligen Häuser. Zudem hängt die Kontinuität solcher Angebote stark von der jeweiligen Intendanz ab – ein Leitungswechsel kann Jugendstücke schnell aus dem Programm werfen. Die Gessnerallee setzt mit ihrer neuen Leitung auf Produktionen für ein junges Publikum, muss sich in diesem Bereich jedoch erst noch etablieren.